1. Flucht in die Sachwerte
Hier spielen viele, sich verzahnende und verstärkende Faktoren zusammen. Zum Einen haben wir ein grundsätzliches, bundesweites Phänomen, nämlich die Flucht in die Sachwerte, resultierend aus der Eurokrise. Dieses Phänomen verstärkt – den ebenfalls bundesweiten – Trend zur Zentralisierung beim Kauf von Immobilien. Denn Land (besonders in zentralen und guten Lagen) ist unvermehrbar. Dabei bleiben die Landkreise vielerorts auf der Strecke, denn dort kann immer wieder, schnell und unbürokratisch neues Bauland ausgewiesen werden, so wie dies in den letzten Jahren auch inflationär betrieben wurde. Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft, insofern können ländliche Gemeinden in dieser Studie nicht ganz vorn dabei sein – abgesehen davon, dass die Nachfrage nach Mietwohnungen in ländlichen Gebieten seit jeher nicht besonders ausgeprägt ist.
2. Braunschweig ist von engen Stadtgrenzen umschlungen
Braunschweig hat keine Landkreise (mehr) und ist von engen Stadtgrenzen umschlungen. Insofern ist Land ein nicht unbegrenzt verfügbares, knappes Gut, welches stark nachgefragt wird, was sich wiederum auf die Preise auswirkt – denn hier kann die deutlich belebte Nachfrage nicht bedient werden. Wer trotzdem in Braunschweig leben will, weicht also in den Mietwohnungsmarkt aus und verstärkt auch in diesem Teilmarkt die Nachfrage.
3. Verfehlte Wohnungsbaupolitik über eine lange Zeit
In den 70er, 80er und 90er Jahren wurde darüber hinaus in Braunschweig eine verfehlte Wohnungsbaupolitik betrieben. Es wurde zu wenig Bauland ausgewiesen und auch keine Anreize für Investoren gesetzt. Dies wäre das richtige Mittel gewesen, um das asymmetrische Mietrecht (in Gesetzgebung und Rechtsprechung) auszugleichen. Der Mietspiegel in Braunschweig ist ebenfalls über Jahre Gift für Investoren gewesen – denn die Preise für die Erstellung von Wohnungen steigen im freien Markt unaufhörlich, während die Mieten durch den Mietspiegel künstlich gedeckelt blieben. Solange (unabhängig von den Risiken durch Mietausfall oder Mietnomaden) die Vermietung nur bis zu einem Entstehungspreis von bis zu 1000 Euro pro Quadratmeter wirtschaftlich ist, wird kein Investor Miethäuser bauen, sondern für sein Kapital einen sichereren Hafen suchen.
4. Überdurchschnittliches Einwohnerwachstum
Weiterhin wächst die Zahl der Einwohner von Braunschweig seit einiger Zeit überdurchschnittlich. Auch die Neubürger verstärken die Nachfrage nach Mietwohnungen. Die »Generation 55plus«, auch »Best-Ager« genannt, verkauft derzeit tendenziell das Haus im Grünen, um in die Nähe des Theaters, von Ärztezentren und fußläufig erreichbaren Kulturangeboten zu ziehen. Spätestens durch den Verkauf des Hauses betucht und meist um die Kosten von Kindern in Ausbildung erleichtert, können finanziell größere Schritte getan – und damit höhere Mieten oder Kaufpreise gezahlt werden – was den Nachfragedruck weiter erhöht.
5. Attraktive Kombination aus Sicherheit und Rendite
Wo früher das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage ausgewogen gewesen ist, überwiegt nun die Nachfrage, so dass bei Neuvermietungen der Mietspiegel ausgereizt werden kann. Darüber hinaus führt die aktuelle Zinssituation dazu, dass frei werdendes Kapital alternativ angelegt werden muss. Die Kombination aus Sicherheit und Rendite hat die Vermietung von Neubauwohnungen quasi über Nacht wieder attraktiv gemacht. Die Rendite ist zwar (verglichen mit früher) schwach, aber nicht so schlecht wie vergleichbare Anlageformen. Der Mietspiegel greift darüber hinaus bei der Vermietung von Neubau-Erstbezug nicht. Somit entsteht gerade ein zweiter Mietmarkt, mit der Freiheit die Preise zwischen zwei Parteien – auf Augenhöhe zu vereinbaren. Und diese Mieten fallen gemeinhin deutlich aus dem Raster, denn es handelt sich um exklusive Neubauten für exklusive Nachfrager. Dieser neue, zusätzliche Mietmarkt ist in einer Stadt, die in der Vergangenheit so investitionsfeindlich war, natürlich so stark ausgeprägt, dass die durchschnittlichen Mieten – arithmetisch gemittelt aus beiden Teilmärkten eine so deutliche Preissteigerung aufzeigen.
6. Der Nachholbedarf dürfte bald erschöpft sein
Insofern gibt es keinen Grund für die klassische Mieterschaft verängstigt zu sein, denn der Mietspiegel für den Bestand existiert immer noch und hält die Preise auch zukünftig auf einem ausgesprochen niedrigen und sozialverträglichen Niveau. Die Neubauwohnungen gehören in Bälde auch zum Bestand und werden dann auch unter die Regulierung fallen. Darüber hinaus ist die Verdichtung in Braunschweig sehr ausgeprägt und die Bautätigkeit so überproportional, dass der Nachholbedarf bald erschöpft sein dürfte. Am Horizont werden (inflationsbereinigt) sinkende Mieten bald wieder in Sichtweite sein.
7. Ein Appell an den Gesetzgeber
Es sollte die Aufgabe der Gesetzgebung und der Rechtsprechung sein, weniger in die Märkte einzugreifen, dann können zukünftig extreme Schwankungen vermieden werden.